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Alp Nr. 45 : Alp Mittlere Helchen
17.06.2013 22:00 ( 4060 x gelesen )

- Komme erst um 20:00 von zu Hause weg
- Keine Wanderer unterwegs, nur der Bauer von Wasserschaffen
- Im Wald ein Reh, es meint wohl ich hätte es nicht entdeckt
- Von weitem höre ich ein Aggregator und die Melkmaschine
- Etwas oberhalb der Hütte richte ich mich ein, der Senn winkt
- Die schöne Aussicht macht das fehlende Echo wett
- Franz offeriert mir eine Flasche Bier
- Als 4 jähriger verliert er seine Mutter und mit 14 auch noch den Vater
- Was wir zu zurückhaltend waren, sind die Jungen heute zu vorlaut
- Franz, der Kontrolleur und Kühe ohne Horn
- Fotos vom neuen – alten Schilter
- Das Alphornschild "z’mitzt" auf die Haustüre
- "De schönscht Platz isch dei obe bim Tälli"
- Langsam wird es dunkel, der Mond ist fast voll
- Zwei Frauen mit zwei Kleinkindern um 22:30 auf dem Hochmoor
- Die Aussentemperatur zeigt immer noch 21° an  


Einen wunderschönen Sommerabend – in diesem Jahr bis jetzt eher eine Seltenheit – nütze ich aus für einen Besuch der mittleren Helchen. Zwar komme ich erst um 20:00 von zu Hause weg, da aber bald der längste Tag ist, bleibt noch genügend Zeit bevor es dunkel wird. Das Auto parkiere ich beim Solleggparkplatz und marschiere danach Richtung Scheidegg. Unterwegs treffe ich niemanden an, nur der Senn von Wasserschaffen überholt mich mit seinem Jeep, er brachte vermutlich die Milch in die Hütte. Vor der Alp Wasserschaffen zweigt der Wanderweg links ab Richtung Ahorn und führt mich durch ein kurzes Waldstück. Mitten im Wald, es gibt dort viele kleine Tannen, sticht ein Reh mit seiner rotbraunen Farbe deutlich heraus. Es sieht zu mir hinauf und beobachtet mich, rennt aber nicht weg. Ich beobachte es auch, aber nur indirekt aus meinem Blickwinkel und gehe dabei im normalen Tempo weiter. Das Reh gibt sich so sicher, dass es in mir den Eindruck weckt, es sei unentdeckt geblieben.
 
Kaum verlasse ich den Wald, höre ich ein lautes Surren. Ein Stromaggregator wird sicher für die Melkmaschine benötigt, ist denn der Senn um diese Uhrzeit noch nicht fertig mit Melken? Ich laufe am Stall vorbei und richte mich mit dem Alphorn etwas oberhalb der Hütte ein. Der Senn kommt mit einem vollen Milcheimer aus dem Stall, sieht mich, winkt mir freundlich zu, leer die Milch in eine der Tansen die im Brunnen zum Kühlen stehen und verschwindet wieder. Die Aussicht zum Säntis ist fantastisch, ich bin ganz gespannt, wie das Echo hier tönen wird, wenn da nur nicht das laute Surren des Aggregators wäre, hm. Soll ich jetzt warten bis er fertig ist, oder vielleicht einen anderen Platz aufsuchen? Während ich mir Gedanken mache, kommt der Senn wieder nach draussen, sieht mein Alphorn und schaltet dann sofort den Generator ab. Das hätte ich nicht gedacht, denn ich erfahre später, dass er mit seiner Arbeit noch nicht ganz fertig ist. Ein Echo ist hier leider keines hörbar.
 
Nach vier Stücken packe ich das Horn zusammen und gehe hinunter zum Stall. Wir stellen uns gegenseitig vor, in Appenzell möchte doch jeder vom anderen wissen von wo er kommt, und nach gestilltem Gwunder bietet mir Franz eine Flasche kühles Bier an. Es entwickelt sich ein interessantes Gespräch, Franz erzählt mir, dass er schon als vierjähriges Kind seine Mutter verloren habe. Als er dann mit 14 Jahren auch noch den Vater verlor musste er schon früh als Knecht arbeiten gehen, das war eine harte Zeit. Man tat was einem aufgetragen wurde, junge Leute von heute gehen die Sache ganz anders an. Was man sich früher zu wenig gewehrt hatte, so sind die Jungen heute vielleicht etwas zu vorlaut, ein gutes Mittelmass wäre wie bei allem wünschenswert. Mit den heutigen Möglichkeiten und der modernen Technik werden die jungen Leute ganz nervös. Sein Junior kommt deshalb sehr gerne auch unter der Woche auf die Alp zum Übernachten. Er muss dann zwar frühmorgens wieder zur Arbeit nach Eggerstanden, aber erholen könne er sich nirgends besser wie hier oben. Kein Telefon, kein Fernseher, ausschliesslich Natur dafür pur.
 
Die Liegenschaft von Franz ist in Haslen, gerade vor der Teufener Brücke. Sie liegt beidseits der Hauptstrasse, also muss er seine Tiere regelmässig über die viel befahrene Strasse lotsen. Um den Verkehr zu warnen stellt er immer Warnschilder auf, von unvorsichtigen Rasern sind sie auch schon umgefahren worden. Er meint, dass der rücksichtsvolle Umgang untereinander in den letzten Jahren stark zurückgegangen sei, dabei wäre er so wichtig. Er, Bauer mit Leib und Seele, setzt einen respektvollen Umgang mit den Tieren voraus, wenn ein Tier leidet so leide er mit. Deshalb ist für ihn eine Kuh nur mit Hörnern noch ein richtiges Tier, mit grossen Mastbetrieben wo die Tiere nur noch als Ware gehalten werden, kann er nichts anfangen, dies ist genauso respektlos wie unsere heutige Gesellschaft. Hinzu kommt, dass den kleinen Bauernbetrieben das Leben von Behördenseite schwer gemacht wird.

Ihm werden regelmässig Beiträge gekürzt, weil er im Winter seine Tiere nicht nach draussen auslasse. Es gibt aber auch einen Grund dafür, denn es nütze dem Tier nichts, wenn es vor dem Stall auf dem Eis ausrutsche und sich ein Bein breche was auch schon passiert sei. Es gibt auch Hudelwetter, wo die Tiere lieber drinnen bleiben. Mittlerweile ist Franz soweit, dass ihn die Beitragsabzüge nicht mehr zur Weissglut treiben, Hauptsache seine Tiere fühlen sich wohl. In diesem Moment muht eine Kuh aus dem Stall, Franz ruft liebevoll zurück:“ Jo, jo, i chomme etz denn grad.“
Ich erkläre Franz mein Projekt mit dem Alphorn und frage ihn, ob ich ein paar Bilder machen darf. Dabei schiele ich auf den alten Schilter der vor dem Gaden steht. Er geniert sich etwas, weil das Gefährt schon einige Gebrauchsspuren hat: „De hani escht letscht Joh neu kauft. Bilde chasch mache, efach ohni mi druf.“ Meint er mit einem Lächeln. Ich frage ihn, wo er eventuell einen Platz für das Schild hätte. Er studiert nicht lange und meint: „Tues uf d’Hustö, dei gsiet mes wenigschtens au.“ Da bin ich jetzt aber etwas zurückhaltend, mitten auf die Türe? Es gibt kein Zurück, Franz besteht darauf.
Langsam wird es dunkel und Franz muss noch den Stall fertig machen. In die Hütte gehe er nur einmal täglich und zwar immer am Morgen. „Defö hani etzt au ke gstrött.“ Ich frage ihn nach dem schnellsten Weg zurück. Er zeigt leicht schräg hinauf und meint: „Dei obe bim chlinne Tälli isch sowieso de schönscht Platz, dei gsiesch öbe s'ganz Tal, ond e chli wite obe hets denn e Stapfede.“ Ich verabschiede mich und folge seinen Anweisungen. Es ist wirklich ein wunderschöner Platz und jetzt noch diese Stimmung mit dem aufgehenden Mond der fast voll ist und die Säntiswand beleuchtet. Bevor ich weiter gehe, packe ich das Alphorn nochmals aus und blase zwei letzte Weisen hinunter ins Tal.
 
Als ich um 22:30 übers Hochmoor laufe habe ich das Gefühl meine Nase spielt mir einen Streich, denn ich wittere Badestrandgeruch, ein Hauch Sonnencreme. Das ist doch nicht möglich, oder? Vielleicht liegt da irgendwo ein Liebespärchen im hohen Gras, warm genug wäre es schon noch aber an einem Montagabend, 22:30 ausserhalb der Ferienzeit? Da höre ich plötzlich leise Stimmen etwas weiter vorne. Ganz gespannt folge ich dem Weg durch den bereits sehr dunklen Wald, nach rund 100m löst sich dann das Rätsel auf. Zwei Frauen mit zwei Kleinkindern auf den Schultern sind wie ich auf dem Heimweg, völlig unspektakulär. Ich gehe extra etwas „lauter“, damit sie mich schon von weitem hören und die Kinder im Dunkeln nicht erschrecken müssen.
 
Auf dem Weg hinunter zum Parkplatz werde ich Zeuge vom emsigen Treiben einiger Bauern die zu dieser Zeit noch Siloballen pressen. Es ist schon noch speziell die grellen Lichter der grossen Maschinen die übers Land fahren und das Gras ernten sowie die Wickelmaschine die beim Gaden steht. Den Weg kann man noch gut sehen da fast Vollmond ist und die Aussentemperatur beim Auto zeigt noch 21° an. Solche Abende machen hungrig auf mehr.


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