Alp Filder

Datum 11.08.2013 19:00 | Thema: DEFAULT

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- Daheim sind alle Hausaufgaben erledigt…
- Ich brauche eine Herausforderung
- Der Aufstieg zur Alp Filder ist sehr steil und unwegig
- Ein Schild „Achtung freilaufende Schafe“
- Ein Schmiedeeisenkreuz vor dem Abgrund, was ist hier einst passiert?
- Auf der Alp treffe ich nur auf Schafe, wo ist der Senn?
- Die Gebäude sind sicher eingezäunt, ein Gartentor fehlt
- Warnung vor den Hunden…
- Stilles Echo von den Fildertürm, lautes Juchzen von der Neuenalp
- Eine Sennerin ist nur in dringenden Fällen via Handy erreichbar
- Ein alter Stall wird notbedürftig renoviert
- Wunderschönes Panorama
- Keine Sennerin, kein Gespräch, dafür Zeit für eine weitere Alp
- Beim Aufstieg, schönes Echo hinter den Fildertürmen

Die letzte Woche konnte ich keinen Ton auf dem Alphorn spielen. Als Familienkapelle übe ich mit den Kindern für einen Auftritt in Gonten am 6. September. In dieser Formation spiele ich Tuba und Posaune, das Alphorn pausiert bis danach. Ab dieser Woche üben wir nun täglich zusammen eine halbe Stunde und weitere 30 Minuten benötige ich für Lippentraining da die Mun

dstücke ganz anders sind. Die gemeinsame Probe verläuft aber nicht immer nach meinen Wünschen, hm. Es gibt tausend Ausreden, viele Diskussionen, regelmässige Beleidigungen und manchmal können die Kinder auch vor lauter Lachen einfach nicht mehr spielen. Ich ärgere mich heute wieder einmal, warum liess ich mich für dieses Projekt überhaupt überreden? Für einen kurzen Moment präsentieren wir dann auf der Bühne „heile Welt“, so en Seich. In meinem Innersten gibt es aber eine Stimme die sagt, diese Zeit mit den Kindern ist genau jetzt und kommt nicht wieder, das stimmt, muss ich eingestehen . Ich hoffe deshalb, dass wir später einmal „gemeinsam“ darüber lachen können.

 
Heute muss ich mich deshalb gedanklich etwas sammeln, man kann auch sagen „erden“. Das kann ich am besten bei einer Tour mit dem Alphorn zudem brauche ich auch eine körperliche Herausforderung, die Alp Filder scheint mir wie zugeschnitten für mein Problem. Den Weg von Lehmen zur Neuenalp kenne ich bereits gut, danach folge ich einem schmalen Pfad steil aufwärts. Beim Übertritt zur Alp Filder ist ein laminiertes A4 Blatt mit Bild und Text an der „Stapfede“ angebracht: „Achtung freilaufende Schafe“. Muss ich mich nun vor diesen Tieren in Acht nehmen? Oder ist es eher für Leute gedacht, die sowieso vor allen Tieren eine „Not“ haben? 200m weiter oben treffe ich auf ein Schmiedeeisenkreuz das direkt vor einem gefährlichen, felsigen Abgrund steht. Die Oberfläche ist total rostig, ich finde weder eine Gravur noch sonst irgendeinen Anhaltspunkt.

Die Schleifspuren und die Zollschraube lassen vermuten, dass es rund 80 Jahre alt sein wird. Ist hier vor langer Zeit ein Unglück passiert? Oder steht es hier als Mahnmal vor dem tiefen Abgrund? Später erzählt mir die Sennerin am Telefon, dass an dieser Stelle bei einem Felssturz die Hütte samt Senn in den Abgrund gestürtzt sei.

 
Die Alphütte und die Stallungen sind verlassen, der Garten mit dem Tisch sieht aber so aus, als ob der Senn auf der Weide nur schnell ein paar Arbeiten verrichten muss. Die Gebäude sind mit einem stabilen Lattenhag eingezäunt, ein Eingangstörli kann ich aber nirgends finden, einzig bei einem Zaunelement steht etwas versteckt auf gelbem Streifen: „Warnung vor den Hunden…“ Die Warnung nehme ich gerne zur Kenntnis, aber was sollen die drei angehängten Pünktchen? Diese drei einfachen Satzzeichen entlocken mir die wildesten Fantasien, was sind denn das für Hunde?

Ich komme zum Schluss, dass auch diese Hunde nicht anders sein werden wie alle anderen und traue mich trotz der Warnung über den Hag zu klettern – es passiert nichts. Auch hier bekomme ich später eine Aufklärung. Ohne Hunde kann die Schafherde nicht zusammengetrieben werden.

 
Ich packe das Alphorn aus, lege meine Utensilien auf den Sitzplatz und gebe vor der Hütte ein paar Stücke zum Besten, ein unscheinbares Echo kommt von den Fildertürmen zurück. Weiter unten auf der Vorderen Neuenalp kann ich den Sennen bei der Arbeit rund um den Stall beobachten. Als er dann mehrmals lautstark zurück juchzt, bin ich mir fast sicher, dass es Bruno Räss ist. Gerne erinnere ich mich an den Besuch auf seiner Alp im Mai zurück, er hatte mir sofort einen „Kafilutz“ offeriert und gemeint: „Fö en Kafi hani all Zit.“

Jetzt getraue ich mich doch noch zur Hütte vor, steige die Treppe hinauf und rufe: „Hallo, ist hier jemand?“ Keine Antwort, nur das blaren der Schafe weiter oben auf der Weide ist zu hören. Hinter dem Fenster bei der Eingangstüre hängt ein Zettel, darauf ist eine Zeichnung einer Hirtin mit einem Schaf und eine Notitz: „Hirtin ist erreichbar unter 078/ ......., bitte nur wenn es dringend ist, vielen Dank.“ Ich lege das Alphornschild auf den Fenstersims mit der Bitte, es irgendwo zu platzieren.

Hinter dem grossen neuen Stall steht noch ein kleiner. Dieser ist kurz vor dem Zerfall, notbedürftig unterstellt und deshalb im Moment unbrauchbar. Es wird aber daran gearbeitet, verschiedenes Handwerkzeug, Zementsäcke, Holzlatten und auch ein kleiner Kompressor finden unter dem Dach Schutz. Es sieht nach mühsamer Arbeit aus, ohne Zufahrtsweg muss alles mit viel Schweiss hochgetragen oder teuer mit dem Helikopter hinauf geflogen werden. Auf jeder Baustelle fällt auch Abfall an, dieser muss dann irgendwie wieder hinunter. Im Moment liegt er hinter der Hütte und wartet darauf, dass vielleicht noch das Einte oder Andere wiederverwendet werden kann.

Ein wunderschönes Panorama hier oben, die Aussicht reicht vom Öhrli bis zum Bodensee. Der Sonnenuntergang wäre hier sicher traumhaft. Interessant wäre auch die Begegnung mit der Sennerin, was für ein Typ sie wohl ist? Beaufsichtigt sie noch eine weitere Alp? Von wo kommt sie, kenne ich sie vielleicht? Ist sie in der freien Zeit vielleicht auf dem Schäfler im Restaurant? Alle meine Fragen werden am 22. September von einer freundlichen Sennerin am Telefon beantwortet. Sie ist eine sehr pflichtbewusste Frau und bedauert es sehr, dass sie nicht anwesend war, aber auch sie müsse ab und zu ins Tal um Brot und andere Lebensmittel zu holen.
 
Nun packe ich meine Sachen, denn es bleibt noch Zeit für eine weitere Alp. Beim steilen und schmalen Aufstieg Richtung Schäfler entdecke ich einen sehr schönen Echoplatz, direkt hinter den Fildertürmen ist eine prächtige Felsenkathedrale. Auf einem schmalen und ausgesetzten Felsrippen sende ich Töne Richtung Felsenarena und wie vermutet, kommt auch ein sehr schönes Echo zurück. Danach geht es weiter Richtung Alp Chlus auf der anderen Seite des Berges.
 
Die anfänglich beschriebenen Querelen mit den Kindern sind auf den ersten paar Metern Wanderweg bereits verflogen. Es gibt so viel Schönes in unserer Bergwelt zu entdecken, dass wichtige Probleme plötzlich ganz klein werden. Und „neu geerdet“, bin ich sogar ein klein wenig stolz zusammen mit den Kindern musizieren zu können.




Dieser Artikel stammt von Alphorn - Aurel Wyser - 119 Alpen und 97 Heimweiden
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